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ELIO LUPICA: «2023 WIRD ZIEMLICH CRAZY»

Juni 2023

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ELIO LUPICA: «2023 WIRD ZIEMLICH CRAZY»

Bei Mikron Switzerland AG, Division Tool, hat der langjährige Divisionsleiter Markus Schnyder den Staffelstab an Elio Lupica übergeben. Mikron Tool hat sich in den letzten Jahren überdurchschnittlich am Markt entwickelt. Elio Lupica zeigt sich im Interview für 2023 hoch optimistisch.

Herr Lupica, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position. Ihr Unternehmen hat 2022 schon wieder ein Rekordjahr hingelegt. Darf man da von Ihrer Geschäftsführung grosse Veränderungen erwarten?

Markus Schnyder und ich arbeiten seit über 15 Jahren Seite an Seite. Er als Divisionsleiter und ich als sein Stellvertreter haben gemeinsam mit unserem hervorragenden Team die Realität Mikron Tools geprägt.

Unser Unternehmen zeichnet sich durch eine enorme Innovationsfreude aus. Dazu gehören stetige Investitionen in neuste Technologien für Produktion und Entwicklung. Wir haben einen ungeheuren Qualitätsanspruch und sind stets darauf aus, unsere hohen Standards immer wieder zu toppen. Dadurch garantieren wir unseren Kunden mit unseren Produkten kontinuierliche Leistungssteigerung. Marktstrategisch unternehmen wir alle Anstrengungen, in unsere Zukunftsmärkte weiter vorzudringen. Ich werde diesen Kurs beibehalten unter Einbeziehung des gesamten Teams von Mikron Tool. Es ist überaus positiv, dass unsere Zukunftsthemen bereits Früchte tragen.

Nichtsdestotrotz muss sich auch Ihr Unternehmen den aktuellen Herausforderungen stellen. Wie gehen Sie damit um?

Für die MEM-Industrie sehe ich für die nächsten Jahre die größte Herausforderung im Automobilsektor. Er bleibt weiterhin unberechenbar wegen des Übergangs vom Verbrennermotor zur E-Mobilität mit negativen Trends in Volumen - in Bezug auf Zerspanungskomponenten - und hohem Preisdruck.

Wie reagiert Mikron Tool darauf?

Wir mussten uns schon 2008 mit der grössten Krise der Autobranche auseinandersetzen. Damals war unser Produktportfolio am Zerspanen von Stahlkomponenten orientiert, die in der Automobilindustrie bevorzugt verwendet werden. Wir erkannten schnell, dass wir die Abhängigkeit von dieser Branche überwinden müssen, wenn wir unsere Stabilität und die Sicherheit der Arbeitsplätze nicht riskieren wollten.

Ist das gelungen?

Ja, absolut. Wir reagierten mit neuen Ideen. Es galt, neue Märkte zu erschließen. Der Geniestreich: Mikron Tool wand sich der Bearbeitung schwierig zu zerspanender Materialien zu, den sogenannten Superwerkstoffen wie rostfreie und hitzebeständige Stähle, Superlegierungen, Titan und Kobalt-Chrom-Legierungen. Der grosse Vorteil: Es gab hier kein wirkliches Angebot leistungsfähiger Werkzeuge in kleineren Durchmessern.

Diese Entscheidung lag auch darin begründet, dass wir uns internationalisierten und begannen High-Tech Länder wie China und die USA zu erschliessen. Besonders in Amerika wurde uns bewusst, dass dort hitzebeständige Werkstoffe und rostfreier Stahl auf dem Vormarsch waren. Zum einen, weil in den USA der Aerospace-Markt viel ausgeprägter war als in Europa. Auf der anderen Seite hat sich zum Beispiel Edelstahl dank seiner hervorragenden Eigenschaften in vielen Branchen durchgesetzt. Dieser Trend schwappte auch nach Europa über. Die Entscheidung, unser Produktsortiment zu diversifizieren eröffnete, uns völlig neue Absatzmöglichkeiten, auch in den so genannten Zukunftsmärkten.

Bevor wir näher auf die Zukunftsmärkte eingehen, inwieweit tangieren die geopolitische Lage und die Pandemie Ihr Unternehmen?

Während der Pandemie war es von enormem Vorteil, über vier Standorte weltweit zu verfügen. Die COVID-Politik der Schweiz, Deutschlands, den USA und Chinas unterschied sich stark. Umsatzeinbussen, die wir in einem Land aufgrund der dort verhängten Restriktionen erlitten, konnten wir in den anderen Absatzmärkten kompensieren. Ein weiterer Pluspunkt waren unsere zwei Produktionsstätten, eine in der Schweiz und eine in Deutschland. So waren wir eigentlich nie wirklich der Gefahr eines totalen Produktionsstillstands - im Falle eines Lockdowns - ausgesetzt und konnten den Bedürfnissen unserer Kunden stets nachkommen. Letztendlich erzielten wir selbst in dieser höchst schwierigen Zeit Wachstum und 2022 war das beste Jahr seit Gründung.

Was die geopolitische Lage angeht, so sind wir von ihren indirekten Auswirkungen wie Inflation, Preissteigerung und Energieknappheit betroffen. Beim Letzteren greifen Energiesparmassnahmen oder die Nutzung erneuerbarer Energien. In Agno setzen wir eine hochmoderne Mischanlage zur Wärmerückgewinnung aus der Produktion ein und verbrauchen dadurch keine fossilen Brennstoffe mehr. Und durch eine neue Kälteanlage sparen wir jährlich 370.000 kWh ein.

Um hingegen steigenden Kosten für Material oder Dienstleistungen entgegenzuwirken, sind nachhaltige Massnahmen notwendig: die Produktivität steigern und die Prozesse optimieren. Dazu kann man in neue Technologien und Software investieren. In Zeiten steigender Preise und Geldwertverlust ist es sinnvoll, notwendige Investitionen in diese Richtung voranzutreiben.

Wie beeinflussen die wichtigsten Branchentrends die Strategie Ihres Unternehmens? Welches sind Ihre Zukunftsmärkte?

Ein grosses Thema ist die Medizintechnik. Der Wachstum und die Überalterung der Bevölkerung führt zu einem erhöhten Bedarf an Medizinprodukten. Die für uns relevanten Anwendungsbereiche sind orthopädische Knochenplatten und -schrauben, Implantate und chirurgische Instrumente.

Ein weiterer wichtiger Trend ist die Miniaturisierung. Sie bringt die konventionellen Werkstoffe an ihre Grenzen. Je zukunftsgerichteter die Industrie, umso mehr braucht sie entsprechende Materialien. Gewichts- und Massreduzierung von Produkten und deren höhere mechanische, thermische und chemische Beanspruchung führen zur Verwendung von Hochleistungsmaterialien.

Daher die Positionierung unseres Unternehmens als Lösungsanbieter für anspruchsvolle Werkstoffe, wie sie in der Medizin- und Dentaltechnik und in der Luft- und Raumfahrt verwendet werden. Aber auch der Energiesektor, die Lebensmittelbranche und die Uhrenindustrie sind aus den gleichen Gründen wichtige Absatzmärkte, die ausbaufähig sind. Nicht zu vergessen die Elektroindustrie, die sich mit bleifreiem Messing auseinandersetzen muss.

Welche Massnahmen ergreifen Sie, um die Zukunftsmärkte auszubauen?

Wir müssen stets auf dem neusten Stand der Technik sein, um neue technologische Akzente zu setzen. Dazu investieren wir kontinuierlich in unser Technology-Center, das heute eines der modernsten Entwicklungszentren der Zerspanung im Mikrobereich ist. Mit einem Maschinenpark, der konsequent auf die Hochleistungszerspanung schwieriger und schwierigster Werkstoffe getrimmt ist. Hier entwickeln unsere Spezialisten - die durch langjährige Entwicklungs- und Forschungsarbeit einen unvergleichlichen Wissensstand in puncto Werkzeugherstellung, Materialwissenschaft und Prozesstechnologie erzielt haben – bahnbrechende Werkzeuginnovationen mit Fokus auf die Zukunftsmärkte. Dass wir darin ganz gut sind, zeigt, dass wir in den letzten 8 Jahren vier Innovationspreise gewonnen haben.

Das ist eine ziemlich gute Ausbeute. Kompliment! Aber marktstrategisch kann das nicht genügen, oder?

Das stimmt. Wir sind eine enge Kooperation mit dem Werkzeugmaschinenhersteller DMG Mori eingegangen. Mit unseren Hochleistungswerkzeugen und deren hochdynamischen BAZs entwickeln und realisieren wir komplexeste Fertigungsstrategien für Kundenprojekte vornehmlich aus der Medizin-Technik. Bei solchen Projekten reizen wir gerne das gesamte Optimierungspotential aus. Oft können wir die Produktionszeiten um mehr als 50% reduzieren.

Zur professionellen Unterstützung unserer Kunden setzen wir auf segmentspezifisch ausgebildete technische Experten und kontinuierliche Fortbildung unserer Sales Force. Wir nehmen weltweit an branchenbezogenen Fachmessen, Seminaren und Kongressen teil. Und ganz wichtig: Wir veranstalten gemeinsam mit unseren Technologiepartner in unserem Technology- und Kompetenz-Center regelmässig themenbezogene „Technology Days“, zu denen wir unsere Geschäftskunden einladen. Erst kürzlich hatten wir ca. 20 spanische Kunden zum Medical Day 2022 zu Gast. Hier findet Wissenstransfer auf höchstem Niveau statt.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Stärke von Mikron Tool?

Dass wir uns zu einem ganzheitlichen Partner für unsere Kunden entwickelt haben. Neben Werkzeugen, die doppelt so gut sind im Vergleich zu anderen handelsüblichen Werkzeugen, bieten wir mit unseren neuen „CrazyService Products“ Ingenieurdienstleistungen vom Werkzeugtest bis zur Prozessentwicklung an. Allein in den letzten 18 Monaten haben wir 40 Kundenprojekte aus den Bereichen Medizin, Automobil, und Aerospace realisiert. Das ist ziemlich crazy.

www.mikrontool.com

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